Der Begriff „Kongruenz“ bezeichnet die grammatische Übereinstimmung in und zwischen Satzteilen in Kasus, Numerus und Genus sowie bei Pronomen auch hinsichtlich der Person. Die Kongruenz ist zwar eher ein Randaspekt der „geschlechtergerechten Sprache“, ist allerdings ein recht einfacher und unauffälliger Weg, die Sprache weiblicher zu machen.

Kongruenz bei Beruf, Titel und Anrede

Früher wurde die Formulierung „Frau Professor“ verwendet, wenn von der Ehefrau des Professors die Rede war. Sie spiegelte die gesellschaftlichen Verhältnisse wieder, wonach die Ehefrau sich in erster Linie der Hausarbeit und der Kindererziehung widmete, wogegen der Ehemann einem Beruf nachging. Manche Berufe konnten Frauen nicht ausüben und manche Titel nicht erwerben. Die Berufswelt samt ihrer Titel war bis ins 20. Jahrhundert männlich geprägt und es dauerte viele Jahrzehnte, bis die Frauen auch in Berufen Fuß fassten, die früher Männerdomänen waren.

Zu diesen Männerdomänen gehörte auch der Lehrerberuf. Nachdem die Frauen zum Studium und zum Lehrerberuf zugelassen waren, wurden sie über Jahrzehnte als „Lehrer“ bezeichnet. Mit dem Aufkommen des Feminismus in den 1960er Jahren kamen auch weibliche Berufsbezeichnungen auf. Eine Frau, die den Lehrerberuf ausübte, war fortan kein „Lehrer“ mehr, sondern eine „Lehrerin“. Dies entspricht der semantischen Kongruenz: Das semantische Merkmal der Frau ist weiblich, weshalb die weibliche Form der Berufsbezeichnung verwendet wird.

Auch die universitäre Laufbahn war lange Zeit Männerdomäne. Nachdem auch Frauen „Professor“ werden konnten, machte „Frau Professor“ einen Bedeutungswandel durch. „Frau Professor“ meint seitdem nicht mehr die Ehefrau des Herrn Professor, sondern die Professorin. Zur „Professorin“ wurde sie erst mit der feministischen Bewegung. Die weibliche Form des Titels wird verwendet, wenn es sich um eine Einzelperson handelt, deren Geschlecht bekannt und weiblich ist. Gemäß der semantischen Kongruenz kann statt „Frau Professor“ auch „Frau Professorin“ gesagt werden. Nach diesem Muster kann bei allen Titeln und Anreden verfahren werden.

Kongruenz bei geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen

Wenn bei geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen wie „das Kind“ oder „das Baby“ das Geschlecht der konkreten Person nicht bekannt ist, wird als Prädikativ ein männliches Substantiv gewählt. Wenn das Kind ein Dieb ist, dann muss es „Das Kind ist ein Dieb“ heißen. Wenn bekannt ist, dass es sich bei dem Kind um ein Mädchen handelt, dann ist besser „Das Kind ist eine Diebin“ zu formulieren.

„Das Mädchen“ ist auf jeden Fall eine weibliche Person, auch wenn das grammatische Geschlecht sächlich ist. Wenn das Mädchen etwas gestohlen hat, ist es gemäß der semantischen Kongruenz eine Diebin, nicht ein Dieb.

Kongruenz bei Sach- und Kollektivbezeichnungen

Auch bei Sach- und Kollektivbezeichnungen kann das Prinzip der Kongruenz angewendet werden. Es handelt sich dann nicht um semantische Kongruenz, sondern um Genuskongruenz. Die Form des Prädikativs kann sich nach dem grammatischen Geschlecht der Sach- oder Kollektivbezeichnung richten. Wenn eine Gemeinde etwas in Auftrag gibt, kann man „Die Gemeinde ist der Auftraggeber“ sagen. Es ist aber gemäß der Genuskongruenz auch möglich, „Die Gemeinde ist die Auftraggeberin“ zu sagen. Das grammatische Geschlecht der „Gemeinde“ ist weiblich, folglich ist auch das grammatische Geschlecht des Prädikativs weiblich. Statt „Auftraggeber“ heißt es somit „Auftraggeberin“.i

Gegen die Anwendung der Genuskongruenz sprechen allerdings feste Redewendungen. So ist die Schwalbe „Vorbote des Sommers“, nicht „Vorbotin des Sommers“. Und die Polizei ist „dein Freund und Helfer“, nicht „deine Freundin und Helferin“.ii

iVgl. Gabriele Diewald, Anja Steinhauer, Richtig gendern. Wie Sie angemessen und verständlich schreiben, Berlin 2017, 90-97.

iiEine Kritik der Kongruenz findet sich in Tomas Kubelik, Genug gegendert! Eine Kritik der feministischen Sprache, Halle 2013, 65-72, der das generische Maskulinum als „grammatischen Allrounder“ ansieht.