Leichte Sprache ist eine besonders verständliche Sprache. Sie kann geschrieben oder gesprochen werden. Sie ist speziell für Menschen gedacht, die normal schwierige Texte nicht gut verstehen. Es kann sich um Menschen mit Lern-Schwierigkeiten oder mit Leseschwäche handeln, außerdem um Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen. Auch Menschen mit einer Krankheit wie Demenz sind im Blick. Die Leichte Sprache folgt ganz bestimmten Regeln, die vom Netzwerk Leichte Sprache zusammengestellt wurden.
Auch die normale Kommunikation über die genannten Personengruppen hinaus sollte möglichst klar und verständlich sein. Sie folgt zwar nicht unbedingt den Regeln der Leichten Sprache, kann sich von ihnen aber inspirieren lassen. Daher ist es sinnvoll, die „geschlechtergerechte Sprache“ mal aus der Sicht der Leichten Sprache zu betrachten. Dabei sollen speziell diejenigen Regeln herangezogen, die im Hinblick auf die „geschlechtergerechte Sprache“ besonders relevant sind.i
Konkret schreiben
Wörter benutzen, die etwas genau beschreiben. „Bus und Bahn“ ist konkreter als „Öffentlicher Nahverkehr“. Bei abstrakten Begriffen und Formulierungen stellt sich stets die Frage, was konkret gemeint ist. Sie sind schwerer zu verstehen als konkrete Begriffe und Formulierungen.
Konkretes Formulieren kann allerdings der Geschlechtergerechtigkeit entgegen stehen. Die Vermeidung von Personenbezeichnungen durch geschlechtsneutrale Sachbezeichnungen oder Oberbegriffe dient zwar der Geschlechtergerechtigkeit, nicht jedoch der Verständlichkeit. Menschen sind uns viel näher als irgendwelche Gremien. Die „Ärzteschaft“ ist abstrakt, „Ärzte“ sind es nicht. Auch „Lehrer“ sind konkreter als „Lehrkräfte“.
Was das generische Maskulinum angeht, so ist festzuhalten, dass die Doppeldeutigkeit eine Verständnisschwierigkeit darstellen kann. „Lehrer“ kann nur im Sinne von „männliche Lehrer“ verstanden werden. Allerdings ist der Gebrauch des generischen Maskulinum gängig. Deshalb sind die Verständnisschwierigkeiten gewöhnlich gering. Das erklärt auch, dass Schilder wie „Radfahrer absteigen“ bisher nicht ersetzt werden. Das Schild wird fraglos im Sinne von „alle Radfahrer (egal, ob männlich, weiblich oder divers) absteigen“ verstanden und dementsprechend befolgt.
Fachwörter und Fremdwörter vermeiden
Konkrete Begriffe allein machen noch nicht einfache Sprache aus. Als Beispiel seien die „Journalisten“ angeführt. Nimmt man sich „geschlechtergerechte Sprache“ als Vorbild, ist es vorteilhaft, von „Presse“ zu sprechen statt von „Journalisten“. Konkreter sind aber die „Journalisten“. „Journalist“ ist aber ein Fremdwort, das schwer verständlich ist. Leichter verständlich ist das bedeutungsgleiche Wort „Reporter“.
Auch „Team“ ist ein Fremdwort, das eine geschlechtergerechte Alternative zur „Mannschaft“ darstellt. Von einem „Team“ zu sprechen, ist allerdings inzwischen gebräuchlich geworden, was die Verständnisschwierigkeiten mindern dürfte.
Fremdwörter lassen sich oft vermeiden. „Teenager“ sind schlicht und einfach „Jugendliche“. Und „Home-Office“ ist „Heimarbeit“. „Experten“ sind „Fachleute“, wobei „Fachleute“ nicht nur leichter verständlich, sondern auch geschlechtsneutral ist. Das ist optimal.
Die gleichen Wörter für die gleichen Dinge verwenden
Lebendige Sprache vermeidet mehrfache Wiederholung von Wörtern. Leichte Sprache geht jedoch von anderen Kriterien aus. Ein Text soll so verständlich wie möglich sein. Wenn für die gleichen Dinge stets die gleichen Wörter verwendet werden, dann trägt das zur Verständlichkeit bei. Wurde also einmal das Wort „Tablette“ verwendet, dann sollte man dabei bleiben und nicht das Wort „Pille“ verwenden.
Diese Regel ist auch im Hinblick auf die „geschlechtergerechte Sprache“ relevant. Wer eine übermäßige Verwendung des generischen Maskulinums zu vermeiden möchte, könnte beispielsweise erst „Reporter“ und dann „Presse“ verwenden. Wer sprachlich geübt ist, wird darüber wohl nicht stolpern. Eine Person, die der Leichten Sprache bedarf, hat dagegen mit Verständnisproblemen zu kämpfen: Was bedeutet „Presse“? Und was hat „Presse“ mit den „Reportern“ zu tun? Aus Sicht der Leichten Sprache ist es also besser, durchgängig „Reporter“ oder durchgängig „Presse“ zu verwenden.
Kurze Wörter benutzen, lange mit einem Bindestrich trennen
Geschlechtergerechte Wörter sind oft nicht länger als Wörter, die nicht geschlechtergerecht sind. Grundsätzlich gilt, dass lange Wörter vermieden werden sollten. Sofern lange Wörter benutzt werden, sollten sie zur besseren Verständlichkeit mit einem Bindestrich getrennt werden.
Die Umgehung eines generischen Maskulinums kann aber zu deutlich längeren und schwerer verständlichen Formulierungen führen. So ist „Augenarzt“ oder „Augenärzte“ deutlich besser zu verstehen als das lange und abstrakte „Praxis für Augenheilkunde“.
Keine Sonderzeichen verwenden
Soll ein Text leicht verständlich sein, dann sollten Sonderzeichenii in ihm vermieden werden. Zu den Sonderzeichen gehören beispielsweise Sternchen (*), Unterstrich (_) und Schrägstrich (/). Das sind die Sonderzeichen, mit denen die Kurzformen der „geschlechtergerechten Sprache“ gebildet werden. Auch sollten Satzzeichen inmitten eines Wortes vermieden werden. Zu den Satzzeichen, mit denen die Kurzformen der „geschlechtergerechten Sprache“ gebildet werden, gehören Doppelpunkt (:) und Bindestrich bzw. Minus (-).
Die Sonderzeichen und Satzzeichen im Wort sind nicht selbsterklärend. Sie sollten erklärt werden (das gilt insbesondere in der Leichten Sprache), was jedoch bei der Verwendung von geschlechtergerechten Kurzformen gewöhnlich nicht geschieht. Beim Lesen des Wortes „Beamt:innen“ kommt eine Vielzahl Fragen auf: Was hat der Doppelpunkt im Wort zu bedeuten? Warum steht der Doppelpunkt mitten im Wort? Was ist ein „Beamt“? Und was bedeutet „innen“? Ist „innen“ eine weibliche Endung oder ist „drinnen“ gemeint? Warum heißt es nicht „Beamtinnen“? Noch komplizierter wird es bei der Kurzform „Beamt/-innen“ (oder muss es nicht vielmehr „Beamte/-innen“ heißen?) mit gleich zwei eingeschlossenen Sonder- bzw. Satzzeichen. Eine Vielfalt an geschlechtergerechten Kurzformen vollendet dann die Verwirrung.
Nur eine Aussage pro Satz
Damit ein Text verständlich ist, sollten nicht zu viele Aussagen mit einem Satz gemacht werden. Bei der Leichten Sprache gilt die Regel, dass pro Satz nur eine Aussage gemacht werden sollte. Der Satz „Die kapitalistische Wirtschaft bringt immer mehr Verlierer hervor“ enthält nur eine Aussage. „Geschlechtergerechte Sprache“, die die verschiedenen Geschlechter sichtbar macht, bringt aber immer noch eine weitere Aussage in den Text hinein. Schreiben wir „Die kapitalistische Wirtschaft bringt immer mehr Verliererinnen und Verlierer hervor“, dann enthält der Satz schon zwei Aussagen: 1. Die kapitalistische Wirtschaft bringt immer mehr Verlierer hervor. 2. Bei den Verlierern handelt es sich um Frauen und Männer. Eine Mehrzahl an Aussagen in einem Satz erschwert das Verständnis.
Geschlechtergerechte Kurzformen mindern das Problem nicht, sondern fügen ihm noch ein weiteres hinzu. Nicht nur die Mehrzahl an Aussagen erschwert das Satzverständnis, sondern auch das Sonderzeichen oder Satzzeichen im Wort und die merkwürdige Wortbildung (z. B. „Verlierer:innen“).
Leichtes Gendern mittels Beidnennung und neutralen Formulierungen
Auch wenn das Gendern gewöhnlich die Verständlichkeit eines Textes nicht erleichtert, sondern erschwert, schließen sich „geschlechtergerechte Sprache“ und Leichte Sprache nicht grundsätzlich aus. Allerdings sind nur (ausführliche) Beidnennung und neutrale Formulierungen mit der Leichten Sprache vereinbar.
Bei der (ausführlichen) Beidnennung (auch als „Paarform“ oder „Beidnennung“ bezeichnet), wird sowohl die männliche als auch die weibliche Form genannt. Dabei sollte bei der Verwendung in Leichter Sprache die männliche Form der weiblichen vorausgehen, weil die männliche kürzer und bekannter ist. Beispielsweise heißt es dann „Lehrer und Lehrerinnen“.
Auch neutrale Formulierungen können verwendet werden, sofern sie geläufig sind. Gut geeignet sind „Mensch“, „Person“, „Leute“ und „Mitglied“. Nicht geeignet sind „Mitarbeitende“, „Interessierte“, „Leserschaft“ und „Lehrkraft“.
Wenn auch die Diversen ausdrücklich genannt und daher Genderzeichen verwendet werden sollen, ist in der Leichten Sprache eine Erklärung zwingend erforderlich.iii
iInformationen rund um die Leichte Sprache einschließlich der Regeln sind unter https://leichte-sprache.de/ (aufgerufen am 11.08.2022) aufrufbar.
iiZur Frage, was Sonderzeichen sind, und zu den Möglichkeiten und Problemen beim Gebrauch von Satz- und Sonderzeichen siehe Bundesverband der Kommunikatoren e. V. [Hrsg.], Kompendium Gendersensible Sprache. Strategien zum fairen Formulieren, Berlin 2020, 30-45.
iiiVgl. https://www.genderleicht.de/gendern-in-leichter-sprache-anleitung/ (aufgerufen am 17.03.2023).