In allen Bundesländern ist das Prinzip der direkten Demokratie als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie auf kommunaler und auf Landesebene verwirklicht. Die Kommunalordnungen bieten Bürgerbegehren und Bürgerentscheide und die Landesverfassungen Volksbegehren und Volksentscheide an. Alle diese Initiativen seitens des Volkes müssen jedoch für die Zulassung bestimmte Kriterien erfüllen. Das gilt auch für das fakultative Referendum, das jedoch keine Volksinitiative im engeren Sinn darstellt.

Der Erfolg einer Initiative seitens des Volkes ist nicht nur dann gegeben, wenn ein Bürger- oder Volksentscheid schließlich die nötige Mehrheit der Stimmen erhält. So ist ein Teilerfolg gegeben, wenn die Initiatoren ein Volksbegehren abbrechen, weil die Landesregierung auf dem Wege von Verhandlungen einen Teil der Forderungen übernimmt.

Direktdemokratische Verfahren in den Landesverfassungen

In allen Landesverfassungen sind direktdemokratische Verfahren enthalten. In manchen Verfassungen von westdeutschen Bundesländern wie etwa Hessen oder Nordrhein-Westfalen sind Volksbegehren und Volksentscheid bereits seit den Nachkriegsjahren enthalten. In anderen Bundesländern sind sie dagegen erst deutlich später in die Landesverfassung aufgenommen worden, z. B. in Baden-Württemberg 1974 und im Saarland 1979. Einige Nachzügler wie Schleswig-Holstein folgten ab 1989. Auch alle neuen Bundesländer führten die Volksgesetzgebung ein.

Zweistufige und dreistufige Verfahren

In einigen Bundesländern ist das Verfahren zweistufig aufgebaut, in anderen – insbesondere in den neuen Bundesländern und in denjenigen, die in jüngerer Zeit reformiert haben – dreistufig. Bei einem zweistufigen Aufbau ist das Verfahren in das Volksbegehren (mit vorgelagertem Antrag) und den Volksentscheid untergliedert. Bei dem dreistufigen Aufbau ist dem Volksbegehren die Volksinitiative vorgeschaltet.

Der Antrag auf Volksbegehren bei dem zweistufigen Verfahren wird nur auf Zulässigkeit geprüft. Die Volksinitiative des dreistufigen Verfahrens dagegen wendet sich an den Landtag, der sich mit ihrem Anliegen befassen muss. Damit wird der Landtag frühzeitig eingebunden, was eine größere öffentliche Aufmerksamkeit zur Folge hat.

Lehnt der Landtag das Anliegen der Volksinitiative ab, können die Initiatoren ein Volksbegehren starten. Ist das Volksbegehren erfolgreich, dann kann der Landtag den Gesetzentwurf annehmen oder ablehnen. Nur im Fall der Ablehnung kommt es zum Volksentscheid.

Beim Volksentscheid stimmen die Bürger über das Volksbegehren ab. Das

Landesparlament kann in allen Bundesländern einen Gegenentwurf/eine Gegenvorlage mit zur Abstimmung stellen.

Zulassungsverfahren

Bevor eine Volksinitiative oder ein Volksbegehren gestartet wird, muss erst die Zulässigkeit geprüft werden. Denn auch das Volk ist als Staatsorgan an die Rechtsordnung gebunden. Für die Prüfung ist meistens die Landesregierung oder ein Ministerium zuständig, deren Entscheidung vor dem Landesverfassungsgericht angefochten werden kann.

Die Zulassung kann aus verschiedenen Gründen verweigert werden. Die Verweigerung kann erfolgen, wenn die Volksinitiative oder das Volksbegehren gegen die Zuständigkeit des Bundes verstößt. In allen Landesverfassungen ist auch festgelegt, dass Volksinitiativen und Volksbegehren über „haushaltswirksame Gesetze“ unzulässig sind. Grundsätzlich müssen alle Anliegen mit der Verfassung konform sein.

Unterschriftenquoren

Ist eine Volksinitiative oder ein Volksbegehren rechtlich zulässig, dann muss für die Zulassung noch eine weitere Hürde genommen werden: Es muss eine bestimmte Zahl an Unterschriften von Menschen gesammelt werden, die die Volksinitiative oder das Volksbegehren unterstützen. Die erforderliche Zahl an Unterschriften wird als „Unterschriftenquorum“ (oder: „Einleitungsquorum“) bezeichnet.

Das Quorum für ein Volksbegehren variiert (Stand Ende 2021) je nach Bundesland zwischen 3,6 % und 13,2 % der wahlberechtigten Bevölkerung. Der Höhe des Quorums kommt eine große Bedeutung zu, weil sie über die Wahrscheinlichkeit entscheidet, ob ein Volksbegehren zugelassen wird oder nicht. Von 13,2 % der wahlberechtigten Bevölkerung eine Unterschrift zu erhalten ist sehr schwer. Zu bedenken ist nämlich, dass für eine sogenannte Unterschrift nicht nur die Unterschrift selbst verlangt wird, sondern auch die Angabe persönlicher Daten. Die persönlichen Daten müssen auf einem Formular eingetragen werden. In manchen Ländern wie Bayern ist die Straßensammlung von Unterschriften nicht zulässig. Dort muss die Unterschrift auf dem Rathaus geleistet werden, was für die unterschreibende Person einen zusätzlichen Aufwand erfordert. Ist das geforderte Unterschriftenquorum niedrig, wird eher ein Volksbegehren gestartet als wenn es hoch ist.

Anzahl direktdemokratischer Verfahren

Von 1946 bis Ende 2021 fanden in den deutschen Bundesländern insgesamt 433 direktdemokratische Verfahren statt. 393 Verfahren waren Volksbegehren bzw. Volksinitiativen, die „von unten“ eingeleitet wurden, 40 waren obligatorische Referenden. Von den 393 direktdemokratischen Verfahren, die „von unten“, also durch Unterschriftensammlung eingeleitet wurden, gelangten bis Ende 2021 insgesamt 101 zum Volksbegehren und hiervon wiederum 25 zum Volksentscheid.

In den Jahren 2020 und 2021 wurden insgesamt 22 direktdemokratische Verfahren neu eingeleitet, davon 9 in Hamburg und 4 in Berlin. Die Verfahren fanden in 9 von 16 Bundesländern statt.

Themen

Die häufigsten Themen im gesamten Betrachtungszeitraum seit 1946 waren Bildung, Demokratie und Innenpolitik. In jüngerer Zeit waren vermehrt Soziales und Umweltschutz Thema. Bezüglich des Umweltschutzes wurde in 80 % der Verfahren mehr Umweltschutz und in 20 % der Verfahren weniger Umweltschutz angestrebt.

Ergebnisse und Erfolgschancen

Die Erfolgsquote der bis Ende 2021 abgeschlossenen direktdemokratischen Verfahren „von

unten“ lag bei 27,7 %. Etwa jede vierte Initiative war also erfolgreich. Die höchsten Erfolgsquoten haben Hamburg und Schleswig-Holstein mit über 40 %, am

wenigsten erfolgreich waren Verfahren in Hessen und Sachsen-Anhalt mit unter 10 %.

Dabei ist zu bedenken, dass ein Erfolg nicht unbedingt in einem Volksentscheid errungen wird. Bis Ende 2021 waren 58 % der Volksentscheide, die aufgrund eines (erfolgreichen) Volksbegehrens durchgeführt wurden, erfolgreich. Das ist ein recht hoher Prozentsatz. Betrachtet man aber die Gesamtzahl der direktdemokratischen Verfahren, dann macht der Anteil der im Volksentscheid erfolgreichen Verfahren nur 3,8 % aus. Häufiger (18,9 %) ist ein Erfolg ohne Volksentscheid, der verbucht wird, wenn das Anliegen der Initiatoren ohne einen Volksentscheid erfüllt wird. Neben diesen Erfolgen gab es auch Teilerfolge, sei es mit oder ohne Volksentscheid, die zusammengenommen 10,0 % der direktdemokratischen Verfahren ausmachen. Um einen Teilerfolg handelt es sich beispielsweise, denn die Initiatoren ein Volksbegehren abbrechen, weil die Landesregierung auf dem Wege von Verhandlungen einen Teil der Forderungen übernimmt.

Zwei Drittel (65,1%) aller Initiativen schafften es nicht bis zum Volksentscheid, weil sie nicht die erforderlichen Voraussetzungen erfüllten. Entweder wurde die Initiative z. B. wegen finanzieller Auswirkungen nicht zugelassen oder sie bekam in der ersten (Volksinitiative)

oder zweiten Stufe (Volksbegehren) nicht die erforderlichen Unterschriften zusammen. Groß ist die Gefahr des Scheiterns, wenn die Voraussetzungen für einen Volksentscheid restriktiv sind.

Zustimmungsquoren

Damit ein Volksentscheid von Erfolg gekrönt ist, muss in den meisten Bundesländern ein bestimmter Prozentsatz aller Abstimmungsberechtigten zustimmen. Diesen Prozentsatz nennt man „Zustimmungsquorum“. Das Zustimmungsquorum bei Volksentscheiden über einfache Gesetze liegt gewöhnlich bei 15 – 25 %. Nur in Sachsen gibt es kein Zustimmungsquorum. In Hamburg entfällt das Zustimmungsquorum, wenn der Volksentscheid mit einer Landtagswahl zusammenfällt.

Bei Verfassungsänderungen gilt in allen Ländern ein Zustimmungsquorum, das von 25 % bis zu zwei Dritteln reicht. In Hessen ist (Stand Ende 2021) bei Verfassungsänderungen kein Referendum möglich.

Fakultatives Referendum

Volksentscheide, die auf eine Initiative seitens Wahlberechtigter zurückgehen, stellen nur eine Form direktdemokratischer Verfahren dar. Es gibt zwei weitere Verfahren, nämlich das fakultative Referendum und das obligatorische Referendum. „Fakultativ“ heißt, dass das Referendum nicht zwangsläufig in Gang gesetzt wird, sondern der Initiative aus dem Volk bedarf. Zu einem fakultativen Referendum kommt es, wenn das Parlament ein Gesetz verabschiedet und sich in der Bevölkerung gegen dieses Gesetz Widerstand regt. Das Gesetz tritt dann zunächst nicht in Kraft, denn es steht unter Referendumsvorbehalt. Die Kritiker müssen nun eine bestimmte Anzahl Unterschriften sammeln und einen Volksentscheid, das Referendum, erzwingen. Wenn es dann zum Referendum kommt, tritt das Gesetz nur in Kraft, wenn sich die Mehrheit der Stimmberechtigten für das Gesetz ausspricht.

Obligatorisches Referendum

Bei dem obligatorischen Referendum handelt es sich um ein verpflichtend vorgeschriebenes Referendum. Dieses erfolgt meist bei Verfassungsänderungen. Ihm geht ein entsprechender Beschluss des Parlamentes voraus.i

iAusführlich zur direkten Demokratie in den Bundesländern, Kreisen und Gemeinden siehe Frank Rehmet, Volksbegehrensbericht 2021, Berlin 2021, zur direkten Demokratie in den Bundesländern Günther Jürgens, Frank Rehmet, Direkte Demokratie in den Bundesländern – Ein Überblick, in: H. K. Heußner, O. Jung [Hrsg.], Mehr direkte Demokratie wagen. Volksentscheid und Bürgerentscheid: Geschichte – Praxis – Vorschläge, München, 2., völlig überarb. Aufl. 2009, 197-233.