Über 70 % der Erdoberfläche sind von den Meeren bedeckt. Da ist es kein Wunder, dass diese für das Klima eine entscheidende Rolle spielen. Das Geschehen in der gesamten Atmosphäre ist bis zu einem bestimmten Grade an die Geschehnisse in den Meeren gekettet. Ozean und Atmosphäre beeinflussen sich jedoch gegenseitig. Auf der einen Seite beeinflussen die Wetterabläufe die Meere in erheblichem Maße, auf der anderen Seite wirken die Meere wieder zurück auf die Atmosphäre. Klimaänderungen wie Änderungen der Lufttemperatur, des Niederschlags oder der Stärke der Winde haben ihren Ursprung nicht notwendigerweise in der Atmosphäre, sondern möglicherweise in den Meeren. Da die Meeresströmungen ausgesprochen träge auf Veränderungen reagieren, werden die Auswirkungen des globalen Klimawandels langsam, aber über Jahrhunderte zu spüren sein.i
Angesichts der starken Wechselwirkung zwischen Atmosphäre und Meeren stellt sich die Frage, ob die ungewöhnlich schnelle und dauerhafte Klimaerwärmung der letzten Jahrzehnte vielleicht mit den Meeresströmungen und speziell den Ozeanzyklen erklärt werden kann. Dies ist wohl zu verneinen, auch wenn eine lokale Beeinflussung des Klimas offensichtlich ist und sich auch eine globale nachweisen lässt.
Meeresströmungen
Der atmosphärische Wind greift an der Ozeanoberfläche an und verursacht mit seiner Schubkraft Wasserbewegungen. Von woher der Wind weht und wie stark der Wind weht, richtet sich nach den vorherrschenden Luftdruckgebilden mit ihren vorherrschenden Windrichtungen.ii
Die vom Wind ausgelöste oberflächennahe Meeresströmung wird darüber hinaus auch von der Reibung, von der ablenkenden Kraft der Erdrotation (als „Corioliskraft“ bezeichnet) und von der Form der Meeresbecken beeinflusst.
Neben der windgetriebenen gibt es eine dichtegetriebene Ozeanzirkulation. Bei der Erwärmung oder Abkühlung der Meeresoberfläche bzw. der Änderung ihres Salzgehalts durch Verdunstung, Niederschlag, Eisbildung oder Eisschmelze entstehen Wassermassen unterschiedlicher Dichte. Welche Bedeutung die unterschiedliche Dichte der Wassermassen haben kann, wird an einem Prozess deutlich, der „Konvektion“ genannt wird: Abgekühltes und damit dichtes Wasser sinkt ab, wärmeres und weniger dichtes Wasser aus der Tiefe steigt auf, gibt seinen Wärmeinhalt an die Atmosphäre ab und sinkt erneut in die Tiefe. Dabei nimmt das Wasser atmosphärische Gase – wie etwa das Kohlendioxid – auf und sorgt für einen raschen Transport dieser in die Tiefsee. Die Konvektion ist für das gesamte Erdsystem von großer Bedeutung, speziell auch hinsichtlich der Wolkenbildung.iii
Durch das Abschmelzen des Grönlandeises könnte das schwere Salzwasser durch große Anteile an Süßwasser ersetzt werden. Das könnte dazu führen, dass das Salzwasser im nördlichen Atlantik nicht mehr in dem Maße absinkt und als Tiefenwasser in Richtung Äquator strömt wie es unter heutigen klimatischen Bedingungen der Fall ist. Damit würde sich auch die oberflächennahe Gegenströmung, die uns als Golfstrom bekannt ist, abschwächen.iv
Am Golfstrom können wir erkennen, dass die Meeresströmungen gigantische Mengen Wärme transportieren. Der Golfstrom transportiert warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko entlang der amerikanischen Ostküste nach Norden und quer über den Atlantik ostwärts in Richtung Europa. Hier wird aus dem Golfstrom der Nordatlantikstrom. Der Golfstrom ist mitverantwortlich, dass in Mittel- und Nordeuropa vor allem im Winter vergleichsweise milde Temperaturen herrschen. Auf der anderen Seite des Atlantiks, in Kanada, ist es im Winter deutlich kälter.v
Die Ozeanzyklen
Die Meeresströmungen bleiben nicht über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg gleich, sondern verändern sich. Diese Veränderungen erfolgen zyklisch. Und weil sie in den Ozeanen ablaufen, werden sie umgangssprachlich als „Ozeanzyklen“ bezeichnet. Ozeanzyklen basieren auf Temperatur- und Luftdruckunterschieden in regional genau definierten Meeresgebieten. Es gibt verschiedene Ozeanzyklen, wobei die Pazifische Dekaden-Oszillation (PDO), Atlantische Multidekaden-Oszillation (AMO) und Nordatlantische Oszillation (NAO) die wichtigsten sind. Die Begriffe „Dekade“ und „Multidekade“ weisen darauf hin, dass die Zyklen über Jahrzehnte hinweg ablaufen. Eine Oszillation (= Schwankung) beschreibt Abweichungen der Meeresoberflächen-Temperaturen von einem mittleren Normalzustand, und zwar in den regional genau definierten Meeresgebieten. Die Abweichung kann positiv oder negativ, die Meeresoberflächen-Temperatur also wärmer oder kälter als normal sein.
Die Ozeanzyklen haben einen erheblichen Einfluss auf das Klima der benachbarten Landgebiete. Im Zusammenspiel können sie auch durchaus das globale Klima verändern.vi Die schnelle, beständige globale Klimaerwärmung der letzten Jahrzehnte vermögen sie jedoch nicht zu erklären. Die Kurve der PDO, der für das weltweite Klima besondere Bedeutung beigemessen wird, weicht nämlich seit einigen Jahrzehnten erheblich von der Kurve der weltweit gemittelten Temperatur an der Erdoberfläche ab. Durch das Umwälzen kälterer und wärmerer Wassermassen können Meeresströmungen große Mengen Wärmeenergie innerhalb der Ozeane umverteilen – und auch aus der Atmosphäre aufnehmen bzw. an sie abgeben. Solche Schwankungen können einen langfristigen Entwicklungstrend im Hinblick auf das weltweite Klima für gewisse Zeit überlagern. Aber auf den Gesamt-Energiehaushalt der Erde und damit ihre langfristige Erwärmung können Phänomene wie die PDO keinen Einfluss haben, weil sie selbst keine zusätzliche Energie in das Klimasystem einspeisen.vii
Dass die Ozeanzyklen durchaus weltweit das Klima beeinflussen können, macht El Niño – offiziell El Niño / Südliche Oszillation (ENSO) genannt – deutlich. Dabei handelt es sich um ein besonders starkes, kurzzeitiges Warmwasser-Ereignis, das in unregelmäßigen Abständen alle 2 bis 7 Jahre vor der südamerikanischen Westküste auftritt, und zwar meist um die Weihnachtszeit herum. Daher auch die (spanische) Bezeichnung „El Niño“, die „Kind“ oder „Christkind“ bedeutet. Es gibt auch ein Kaltwasser-Ereignis, das ebenfalls vor der südamerikanischen Westküste auftritt und „La Niña“ („das Mädchen“) genannt wird.viii
El Niño führt u. a. zu Dürren in Südostasien, Teilen Australiens und Brasiliens, verursacht starke Niederschläge über weiten Teilen des westlichen Südamerikas und ruft auch in Europa ungewöhnliches Wetter hervor. Die klimatischen Besonderheiten beeinflussen auch die Ökosysteme. Auch die atmosphärische Kohlendioxid-Konzentration ändert sich kurzfristig als Folge der von El Niño verursachten Extreme, was ein Zeichen der Beeinflussung des Kohlenstoffkreislaufs ist.ix
Umstritten ist, was die Ozeanzyklen antreibt. Insbesondere zwei Thesen werden vorgebracht: Die einen Wissenschaftler sehen Anzeichen, dass die schwankende Sonnenaktivität einen erheblichen Einfluss auf die Ozeanzyklen nimmt. Die anderen Wissenschaftler dagegen gehen davon aus, dass die Ozeanzyklen vollkommen selbstständig im Klimasystem ablaufen, ohne dass sie von außen Impulse beziehen.x
i Vgl. Mojib Latif, Die Meere,der Mensch und das Leben. Bilanz einer existenziellen Beziehung, Freiburg i. Br. 2017, 194-195.
ii Vgl. Wilhelm Kuttler, Klimatologie, Paderborn, 2., aktual. u. erg. Aufl. 2013, 169-172.
iii Vgl. Mojib Latif, Klimawandel und Klimadynamik, Stuttgart 2009, 22-29.
iv Vgl. Wilhelm Kuttler, Klimatologie, Paderborn, 2., aktual. u. erg. Aufl. 2013, 248-249.
v Vgl. https://www.geomar.de/fileadmin/content/entdecken/ozean_klima/ozeanbeobachtung/meeresstroemungen/Grafik_Meeresstroemungen.pdf (aufgerufen am 12.07.2023).
vi Vgl. Fritz Vahrenholt, Sebastian Lüning, Unerwünschte Wahrheiten. Was Sie über den Klimawandel wissen sollten, München, 4. Aufl. 2020, 69-79.
vii Vgl. https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-ozeanzyklen-verursachen-den-klimawandel (aufgerufen am 12.07.2023).
viii Vgl. Fritz Vahrenholt, Sebastian Lüning, Unerwünschte Wahrheiten. Was Sie über den Klimawandel wissen sollten, München, 4. Aufl. 2020, 76.
ix Vgl. Mojib Latif, Klimawandel und Klimadynamik, Stuttgart 2009, 89-93; Christian-Dietrich Schönwiese, Klimatologie, Stuttgart, 5., überarb. u. aktual. Aufl. 2020, 196-201.
x Vgl. Fritz Vahrenholt, Sebastian Lüning, Unerwünschte Wahrheiten. Was Sie über den Klimawandel wissen sollten, München, 4. Aufl. 2020, 76-77.