In unserer Gesellschaft wird Schwangerschaft meist mit Frauen verbunden. Neben den Frauen gibt es aber auch noch andere, die Kinder gebären können oder einen Schwangerschaftsabbruch haben, nämlich trans Männer, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen. Sie haben eine eigene Geschlechtsidentität und ihre Lebenssituationen sind ebenfalls ganz eigene. Diese Gruppe Menschen samt ihrer Lebenssituation stellt allerdings einen eher seltenen Sonderfall dar. Außerdem lassen sich die ethischen Abwägungen zwischen eigenen Rechten und denen anderer Menschen auf sie übertragen, weshalb nicht eigens auf sie eingegangen wird.

Die Sicht der Schwangeren auf die Abtreibung ist nicht einheitlich. Schwangerschaft wird ebenso unterschiedlich gewertet wie die Mutterrolle. Die Frau kann in ihrer Rolle als Mutter aufgehen, aber auch nach Selbstbestimmung und beruflicher Verwirklichung streben. Dementsprechend wir unterschiedlich mit einer ungewollten Schwangerschaft umgegangen.

Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Verteidigungsrecht gegenüber sexuellen Übergriffen seitens Dritter. Ein grundsätzliches Recht auf Abtreibung lässt sich aus ihr nicht herleiten, Eine ungewollte Schwangerschaft ist eher als Konfliktsituation zu betrachten, in der die Frau der Unterstützung und Hilfe bedarf. Unterstützung und Hilfe kommen von Seiten der Konfliktberatungsstellen und Ärzte. Dabei ist zu bedenken, dass Hilfe gleichermaßen auf die Vermeidung einer Abtreibung wie auf die Durchführung einer Abtreibung zielen kann. Es ist stets im Blick zu behalten, dass auch die Austragung eines unerwünschten Kindes ein Übel und die Zurückweisung bei dem Kind schwere psychische Schäden verursachen kann.

Freude und Angst während der Schwangerschaft

Der positive Schwangerschaftstest ist im Leben der Frau ein einschneidendes Erlebnis. Er kann Freude auslösen, aber auch Angst und Sorgen. Freude insbesondere dann, wenn sich die Frau das Kind gewünscht hat. Aber mit der Schwangerschaft ändert sich auch der Körper und der Hormonhaushalt und damit die Stimmungen. Ängste und Sorgen beschäftigen die Schwangere: Wird es während der Schwangerschaft Komplikationen geben? Wie werden die Schmerzen sein? Werde ich sie aushalten? Wird die Geburt klappen und mein Kind gesund sein? Wie wird sich mein Körper verändern, wie mein Leben? Alle diese Ängste und Sorgen können durch die hormonellen Veränderungen, eigene Erfahrungen, Erzählungen von Anderen, bereits bestehende psychische Probleme oder Konflikte im persönlichen Umfeld hervorgerufen werden.

Die Frau als Bewahrerin des Lebens und Gebärerin

Die Frau (wie auch diverse Menschen mit Uterus als Ausnahmefall) kann im Gegensatz zum Mann schwanger werden und ein Kind gebären. Damit hat sie ein besonders intimes Verhältnis zum Kind. Auch ist das Gefühlsleben im Hinblick auf das Kind und die Schwangerschaft besonders intensiv. Die Fähigkeit, ein Kind zu empfangen und zu gebären, ließ die Frau seit jeher als Bewahrerin des Lebens und Gebärerin erscheinen, die auch für die Erziehung der Kinder prädestiniert schien. Diese Rolle wird von manchen Frauen mit dem ganzen Herzen verinnerlicht, von anderen Frauen dagegen abgelehnt.

Schon immer gab es Frauen, die sich gegen diese Rollenzuweisung auflehnten. Stets gab es Frauen, die ihr Kind aus verschiedensten Gründen abgetrieben haben oder abtreiben ließen. Der rechtliche Umgang mit Abtreibung war sehr unterschiedlich: Von Straflosigkeit bis zur Todesstrafe ist alles zu finden.

Selbstbestimmung der Frau

Frauenrechtlerinnen weisen auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau hin. Sie wenden sich gegen Unterdrückung und Bevormundung, sei es durch die (Ehe-)Männer, die „männerorientierte Gesellschaft“, durch von Männern geprägte Rechtsbestimmungen oder durch die Kirche. Und mit der Selbstbestimmung wird auch ein „Recht auf Abtreibung“ gefordert: Die Frau alleine habe, frei von jeder Rollenzuweisung, Unterdrückung und Bevormundung, ganz allein und selbstbestimmt über ihre Sexualität, über eine Schwangerschaft und einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden.

Allerdings ist der Begriff „selbstbestimmt“ deutungsbedürftig, ebenso die Formulierung „selbstbestimmte Sexualität“. Wird „selbstbestimmt“ im Sinne der Befreiung von Rollenzuweisungen, Unterdrückung und Bevormundung verstanden, so ist sie – gleich ob man der Sichtweise der Frauenrechtlerinnen folgt oder nicht – legitim und nachvollziehbar. Die Selbstbestimmung findet aber dort ihre Grenzen, wo die Rechte Dritter beeinträchtigt werden. So führt das Strafgesetzbuch in den §§ 174-184 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auf. Die sexuelle Selbstbestimmung bezieht sich dabei nicht nur auf die Frau, sondern jedem Menschen steht ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu. Es darf also niemand seine Selbstbestimmung so deuten, als handele es sich um einen Freibrief, seine sexuellen Bedürfnisse auf Kosten anderer zu befriedigen. Vielmehr ist es so, dass die sexuelle Selbstbestimmung ein Recht ist, das vor sexuellen Übergriffen anderer Menschen schützt. Es handelt sich um ein Verteidigungsrecht und in diesem Sinne ist auch die Erklärung der sexuellen Menschenrechte zu verstehen, die 1999 von der Generalversammlung der World Association for Sexual Health (WAS) verabschiedet worden ist. Die sexuellen Menschenrechte schließen das Recht auf die Entscheidung ein, Kinder zu haben oder nicht; ihre Anzahl und die Abstände zwischen den Geburten zu bestimmen; und das Recht auf ungehinderten Zugang zu Mitteln der Fruchtbarkeits-Kontrolle.i All dies lässt sich ohne einen Schwangerschaftsabbruch verwirklichen, womit dieser kein sexuelles Menschenrecht ist. Kein Mensch hat das Recht, das Leben eines anderen Menschen zu schädigen. So führt das Strafgesetzbuch in den §§ 211-222 Straftaten gegen das Leben auf. Der Schwangerschaftsabbruch wird im § 218 als Straftat gegen das Leben behandelt, weil auch ungeborenen Menschen ein Recht auf Menschenwürde und Leben zusteht.

Wenn das Recht der Frau auf selbstbestimmte Sexualität verletzt wurde, insbesondere bei Vergewaltigung oder Zwangsprostitution, dann ist dies von einem solchen Gewicht, dass der Schwangerschaftsabbruch nicht bestraft wird. Dann kann von einem „Recht auf Abtreibung“ gesprochen werden, weil die Schwangerschaft unter Zwang und möglicherweise sogar Gewaltanwendung erfolgt ist. Die Frau ist jedoch nicht stets Opfer der Handlungen anderer Menschen, sondern sie ist auch selbst Handelnde. So trägt sie – wie jeder Mensch – Verantwortung dafür, dass kein anderer Mensch durch ihr Handeln geschädigt wird. Verantwortungsbewusste Sexualität respektiert die Würde, die körperliche Unversehrtheit und das Lebensrecht des anderen Menschen. Das vermeidet Konfliktsituationen, zu denen letztendlich auch Schwangerschaftskonflikte gehören, und dient sowohl der Frau als auch dem ungeborenen Kind.

Zu einer verantwortungsbewussten Sexualität tragen mit Bedacht gewählte zwischenmenschliche Beziehungen, ein ungehinderter Zugang zu Verhütungsmitteln, Sexualaufklärung und Informationen über die Entwicklung eines Kindes bei.

Schwangerschaftsabbruch als Nothilfe

Beziehungskonflikte lassen sich nicht immer vorhersehen, Notlagen durch sexuelle Gewalt nicht immer verhindern. Auch die besten Kenntnisse über die Entwicklung des Kindes, umfassende Sexualaufklärung und der Gebrauch von Verhütungsmitteln sind kein hundertprozentiger Schutz vor ungewollten Schwangerschaften. Insofern können Abbrüche einer ungewollten Schwangerschaft als Hilfe in einer Notlage angesehen werden.ii Eine solche Sichtweise setzt voraus, dass es kein grundsätzliches Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch im Sinne „sexueller Selbstbestimmung“ der Frau gibt und ein Schwangerschaftsabbruch auch keine gewöhnliche Gesundheitsleistung ist.

Psychische Folgeerscheinungen des Schwangerschaftsabbruchs

Grundsätzlich stellt die Krise einer ungewollten Schwangerschaft für Frauen eine besondere Herausforderung dar. Sie erfordert eine gewichtige Entscheidung, die innerhalb der Zwölf-Wochen-Frist getroffen werden muss und sich dann nicht mehr rückgängig machen lässt.

Ein Schwangerschaftsabbruch kann die Psyche der abtreibenden Frau belasten. Unabhängig von religiösen Bindungen können sich Reue- und Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, unmotiviertes Weinen, Angstzustände, quälende Albträume und Depressionen, möglicherweise mit Suizidgedanken und Selbstmordversuchen verbunden, einstellen. Auch kann ein Schwangerschaftsabbruch die Partnerschaft belasten und zur Trennung führen, insbesondere wenn der Abbruch dem Partner zuliebe erfolgt ist.

Diese psychischen Folgeerscheinungen können auf den Schwangerschaftsabbruch zurückgehen oder auf den äußeren Druck infolge eines Schwangerschaftsabbruchs. Zum äußeren Druck gehören schwierige Lebensumstände,und starke Einflussnahme von Angehörigen. Auch eine moralische Verurteilung des Abbruchs durch die Umgebung oder eine schlechte Behandlung durch beratende Personen und medizinisches Personal können die Verarbeitung des Abbruchs erschweren, außerdem der Zwang zur Verheimlichung und fehlende Unterstützung durch nahe stehende Menschen.iii

Die Geburt eines unerwünschten Kindes als besondere Herausforderung

Die Geburt eines im Grunde unerwünschten Kindes stellt für die Mutter – mehr noch als für den Vater – eine große Herausforderung dar. Sie muss die Schmerzen der Geburt ertragen, sich mit vielleicht unliebsamen körperlichen Veränderungen abfinden und das Neugeborene säugen. Sie ist es, die in der Mehrzahl der Fälle die Erziehung übernimmt und am ehesten Nachteile in der beruflichen Laufbahn hinnimmt. Insofern ist es richtig, dass sie – zumindest sieht es das Recht so – letztendlich entscheidet, ob sie das Kind austrägt oder nicht. Die Mutter kann durchaus zu einem zunächst unerwünschten Kind eine innige Beziehung entwickeln und letztendlich froh sein, nicht abgetrieben zu haben. Sicher ist das aber keineswegs. Und eine gefühlskalte und/oder überforderte Mutter tut weder ihrem Mann bzw. Partner gut noch ihrem Kind. Insofern verbietet es sich, schwarz-weiß zu malen, nach dem Motto: Abtreibung ist schlecht, das Austragen des Kindes gut. Die Realität ist sehr vielgestaltig und die Frau mit ihren Anliegen darf nicht aus dem Blick geraten.

i Vgl. http://www.sexologie.org/sexualrechte.htm (aufgerufen am 07.02.2022).

ii Diese Sichtweise vertritt Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG), Berufsverband der Frauenärzte e. V. (BVF), Gesetzesinitiative zur Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche stärkt Informationsrechte für Frauen und ÄrztInnen (Pressemitteilung).

iii Zu den psychischen Folgen siehe Maria Simon; Danach – Die psychischen Folgen der Abtreibung, in: P. Hoffacker u. a. [Hrsg.], Auf Leben und Tod: Abtreibung in der Diskussion, Bergisch Gladbach, 5., völlig neu bearb. und erhebl. erw. Aufl. 1991, 94-111; Irene Schlingensiepen-Brysch, Schwangerschaftsabbruch – Versuch einer Bestandsaufnahme, in: P. Hoffacker u. a. [Hrsg.], Auf Leben und Tod: Abtreibung in der Diskussion, Bergisch Gladbach, 5., völlig neu bearb. und erhebl. erw. Aufl. 1991, 70-93; Detlev Katzwinkel [Hrsg.], Das Kind, das ich nie geboren habe: Was nach einer Abtreibung geschehen kann. Erfahrungsberichte, Fakten und Informationen, Witten 2007; https://www.familienplanungszentrum.de/angebote/schwangerschafts-abbruch/psychische-folgen/ (07.02.2022); https://www.profemina.org/de-de/abtreibung/psychische-seelische-folgen (aufgerufen am 07.02.2022). Eine Bestandsaufnahme der Situation in der Schweiz bietet Michèle Minelli, Tabuthema Abtreibung: Informationen, Fakten, Adressen, Bern – Stuttgart – Wien 2000.