Wie man sich gegenüber Tierversuchen positioniert, hängt in hohem Maße von der Einstellung zum Tier ab. Sehr verschiedene Einstellungen sind möglich und hat es in der Geschichte gegeben bzw. gibt es weiterhin. Die Bandbreite reicht vom „heiligen Tier“ über die Gleichstellung der Würde des Tieres mit derjenigen des Menschen bis hin zur Unterordnung des Tieres unter den Menschen. Letztere kann von Fürsorge und Tierschutz bestimmt sein, aber auch von reinem Nutzdenken oder gar Willkür. Wer (bestimmte) Tiere als heilig ansieht, tritt ihnen mit am meisten Respekt gegenüber und dürfte infolgedessen Tierversuche am stärksten ablehnen. Wer die Tiere dem Menschen unterordnet und sich im Umgang mit ihnen von reinem Nutzdenken oder gar Willkür leiten lässt, befindet sich am anderen Ende der Skala: Er sieht Tiere wie eine Sache an und dürfte daher Tierversuche am wenigsten problematisieren.

Tierversuche gründen gewöhnlich auf naturwissenschaftlichem Forschergeist, bei dem die vorrangigen Ziele Erkenntnisgewinn und das Wohl des Menschen sind. Ohne ihn hätte es beispielsweise manche medizinische Errungenschaft – hier seien konkret die Impfungen genannt – nicht gegeben. Der naturwissenschaftliche Forschergeist kann dem Tier gegenüber verantwortungsbewusst vorgehen, läuft aber auch Gefahr, das Tier für den Erkenntnisgewinn und das Wohl des Menschen zu quälen. Hier sind gesetzliche Bestimmungen bis hin zu Verboten angebracht. Willkür und Tierqual können sich nicht auf die Bibel berufen. Diese spricht zwar davon, dass der Mensch über die Tiere herrschen solle, meint damit aber keine Willkür- oder Gewaltherrschaft. Vielmehr geht es um die Nutzung der Tiere, denen dabei im Sinne guter Königsherrschaft in einem gewissen Maße Fürsorge und Schutz zuteil werden sollen. Auch wenn nach biblischer Vorstellung das Tier dem Menschen untergeordnet ist, ist es doch wie der Mensch Geschöpf Gottes.

Inwiefern Tierversuche durch tierversuchsfreie alternative Methoden ersetzt werden können, hängt von dem jeweiligen Bereich ab, in dem die Tierversuche eingesetzt werden. In der Lehre ist ein vollständiger Ersatz ebenso möglich wie im Bereich der Kosmetika. Kosmetika sind gewöhnlich keine unbedingt nötigen Produkte, weshalb hier dem Tierwohl Vorrang gegeben werden kann. Tatsächlich hat man ja hier bereits ein vollständiges Verbot ausgesprochen, ohne dass schon alle notwendigen tierversuchsfreien Ersatzmethoden zur Verfügung gestanden hätten. Bei Chemikalien und Medikamenten ist ein Ersatz von Tierversuchen schon schwieriger. Natürlich muss auch bei Chemikalien und Medikamenten geprüft werden, ob sie wirklich nötig sind. Manche Chemikalien und Medikamente werden nämlich nur in der Hoffnung auf möglichst großen finanziellen Gewinn auf den Markt gebracht, zum Schaden der Tiere und auch der Menschen. Bevor eine Chemikalie oder ein Medikament auf den Markt kommen kann, sind umfangreiche Giftigkeitstests erforderlich, die Tierversuche einschließen. Aufgrund der Komplexität der Untersuchungen und den keinesfalls in allen Bereichen vorhandenen anerkannten Ersatzmethoden, ist ein vollständiger Ersatz von Tierversuchen derzeit nicht möglich. Ein grundsätzliches Verbot wäre mit Einschränkungen im Gesundheitsschutz und bei der Bekämpfung von Krankheiten verbunden.

Die Anerkennungsverfahren für tierversuchsfreie Ersatzmethoden sind derzeit zu langwierig. Zudem wird mit zweierlei Maß gemessen, indem die Tierversuche als Grundlage für die Prüfung der Zuverlässigkeit der tierversuchsfreien Ersatzmethoden genommen werden, ohne selbst einem derart aufwändigen Zulassungsverfahren unterzogen worden zu sein.

Nicht alle Tierversuche sind für die Tiere mit großem Leid verbunden. Manche können sogar Tierleid vermeiden, wie das Beispiel der Fischversuche zum Zwecke des Schutzes der Fischbestände und der Sicherung der Welternährung zeigt. Auch Tierversuche im Bereich der Tiermedizin können dazu beitragen, Tierleid zu vermeiden. Eine Bewertung von Tierversuchen muss also zum einen die Schwere des bei dem Versuch verursachten Tierleids berücksichtigen, zum anderen aber auch das an anderer Stelle vermiedene Tierleid wie überhaupt den gesamten Nutzen für Mensch und Tier. Dies ist das umfassende Abwägen von Schaden und Nutzen.

Trotz der erforderlichen differenzierten Betrachtung der Tierversuche sollte jedoch mittels des 3R-Prinzips konsequent auf deren Ersatz hingearbeitet werden, sodass zumindest mittelfristig alle Versuche, die für die Tiere mit erheblichem Leid verbunden sind, verboten werden können. Zur Verringerung der Tierversuche sind auch ein bewussteres Konsumverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher hin zu tierfreundlichen Produkten und ein gesünderer Lebensstil erforderlich.