Bei der Frage, ob Krankenkassen oder die Länder die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch übernehmen sollen, spielt eine entscheidende Rolle, ob ein Abbruch verboten, rechtswidrig oder legal ist. Bei einem Abtreibungsverbot ist die Bezahlung schwerlich zu rechtfertigen. Sind Abtreibungen rechtswidrig, dann können sie unter bestimmten Umständen finanziert werden. Sind Abtreibungen legal, dann liegt die Finanzierung durch die Krankenkassen oder Länder nahe. Wird das Lebensrecht der Ungeborenen negiert, dann können Abtreibungen als Gesundheitsleistung verstanden werden. Diese zählen zum Aufgabenbereich der Krankenkassen.
Mit einer möglichen Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen geht die Frage einher, ob die Durchführung von Abbrüchen für Ärzte bzw. auf Abtreibung spezialisierte Kliniken lukrativ ist. Wenn das der Fall ist, steigt die Gefahr, dass für Abbrüche geworben und sie als gewöhnliche Gesundheitsleistung dargestellt werden. Für die Einschätzung der Lukrativität müssen die Kosten eines Abbruches aufgeschlüsselt werden. Außerdem müssen die Honorare für die einzelnen ärztlichen Leistungen mit denen für andere ärztliche Leistungen verglichen werden.
Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs
Die Kosten für einen ambulanten Schwangerschaftsabbruch liegen zwischen 350 und 500 Euro. Ein stationärer Schwangerschaftsabbruch kostet mehr als 500 Euro.i
Laut § 12 Abs. 1 der Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärzte muss die Honorarforderung angemessen sein. Für die Bemessung ist die Amtliche Gebührenordnung (GOÄ) die Grundlage, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten. Ärzte dürfen die Sätze nach der Amtliche Gebührenordnung nicht in unlauterer Weise unterschreiten.
Die Amtliche Gebührenordnung gibt als Gebühr für den Abbruch bis einschließlich 12. Schwangerschaftswoche – gegebenenfalls einschließlich Erweiterung des Gebärmutterhalskanals – 46,63 Euro an. Für den Abbruch einer Schwangerschaft ab der 13. Schwangerschaftswoche – gegebenenfalls einschließlich Erweiterung des Gebärmutterhalskanals – werden demnach 69,94 Euro vergütet. Diese Angaben sind Richtwerte.
Das Bezahlen der Rechnung
Schwangerschaftsabbrüche sind laut den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und der daraus resultierenden Gesetzeslage grundsätzlich gesetzeswidrig, es sei denn, sie werden aufgrund einer kriminologischen oder medizinischen Indikation vorgenommen. Abbrüche aufgrund der sozialen Indikation sind rechtswidrig, bleiben aber straffrei. Diese Bewertung spiegelt sich in den Regelungen bezüglich der Begleichung der Rechnung für einen Abbruch wider.
Bei einer kriminologischen oder medizinischen Indikation ist die Abtreibung nicht rechtswidrig. Sie gilt dann als Kassenleistung und wird von der Krankenkasse bezahlt.
Erfolgt der Schwangerschaftsabbruch aufgrund der sozialen Indikation und wird die Frau als finanziell notleidend eingestuft, dann zahlt das jeweilige Bundesland, vermittelt durch die Krankenkasse. Das gilt auch für Frauen, die in keiner gesetzlichen Krankenkasse versichert sind.
Sofern keine kriminologische oder medizinische Indikation greift und die Frau auch nicht als finanziell notleidend eingestuft wird, muss die Frau die Rechnung bezahlen. Sie kann zwar ihren Partner um die Bezahlung oder um eine Beteiligung bitten, jedoch ist er nicht zur Zahlung verpflichtet. Die Krankenkasse übernimmt für ihre Versicherten nur die Kosten der ärztlichen Beratung vor dem Abbruch, der ärztlichen Leistungen vor und nach dem Eingriff sowie die Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln.ii
Kostenbefreiung der Frau bei einer Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
Eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hätte Auswirkungen darauf, wer die Rechnung zu begleichen hat. In der Tendenz würde das bedeuten, dass grundsätzlich die Krankenkassen oder die Länder für die Kosten aufkommen.
Der Koalitionsvertrag der Bundestagsfraktionen von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen von 2021 besagt: „Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehört (wörtlich: gehören) zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung.“ Diese Aussage ist sehr unklar. Zunächst einmal ist anzumerken, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht kostenfrei sind, auch nicht bei einer Legalisierung. Die Ärztin bzw. der Arzt arbeitet nicht ohne Honorar, auch das Assistenzpersonal bekommt seinen Lohn. Auch die Arznei-, Verband- und Heilmittel werden nicht kostenlos abgegeben. Vermutlich meinen die Regierungsparteien, dass die Schwangere nicht für den Abbruch aufkommen soll. Allerdings lässt der Begriff „Möglichkeit“ offen, ob das grundsätzlich so sein soll. Genau genommen sind ja jetzt schon finanziell notleidende Frauen und Frauen, die aufgrund einer kriminologischen oder medizinischen Indikation einen Abbruch vornehmen lassen, von der Zahlung der Rechnung befreit. Die Unklarheit der Formulierungen weist auf eine unterschiedliche Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs seitens der Regierungsparteien hin: Die Bundestagsfraktion der FDP will eine Liberalisierung von Abtreibungen, aber keine Legalisierung. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen will eine Legalisierung und die Bundestagsfraktion der SPD bewegt sich dazwischen.
Der Begriff „Gesundheitsversorgung“ lässt eine Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs im Sinne der Gewährleistung der Gesundheit der Schwangeren erkennen. Allerdings ist bei einer unkompliziert verlaufenden Schwangerschaft die Gesundheit nicht oder zumindest nicht nennenswert gefährdet. Auch erscheint das ungeborene Kind als Gesundheitsgefährdung oder gar als Krankheit. Der Aspekt, dass es um die Tötung von Leben oder um die Tötung eines sich entwickelnden Menschen geht, kommt nicht in den Blick.
Sicherlich kann ein Schwangerschaftsabbruch als Gesundheitsleistung angesehen werden, wenn die Schwangerschaft die Gesundheit oder gar das Leben der Frau gefährdet ist. Andere Schwangerschaften mögen als potenzielle Gesundheitsgefährdung der Frau oder als psychische Belastung und somit die Gesundheit gefährdend angesehen werden. Eine Schwangerschaft grundsätzlich als (potenzielle) Gesundheitsgefährdung oder psychische Belastung der Frau anzusehen, ist aber überzogen.
Daraus folgt, dass sich kaum rechtfertigen lässt, die Schwangere grundsätzlich von der Begleichung der Rechnung für den Abbruch zu befreien und die Versicherten oder Steuerzahler mit den Kosten zu belasten. Man kann den Status des Ungeborenen durchaus unterschiedlich bewerten, ein Organ der Frau oder eine Krankheit oder gar eine Art Tumor ist es aber sicher nicht.
i https://www.aok.de/pk/uni/inhalt/schwangerschaftsabbruch/; https://www.profemina.org/de-de/abtreibung/kosten-und-krankenkasse-deutschland; https://www.eltern.de/abtreibung#vorgang-und-kosten-der-operativen-abtreibung (jeweils aufgerufen am 28.02.2022).
ii Vgl. https://www.aok.de/pk/uni/inhalt/schwangerschaftsabbruch/; https://www.profemina.org/de-de/abtreibung/kosten-und-krankenkasse-deutschland (jeweils aufgerufen am 28.02.2022).