Neben Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), und Lachgas (N2O) zählt das Kyoto-Protokoll, das 1997 beschlossen wurde und 2005 in Kraft getreten ist, auch die fluorierten Treibhausgase (F-Gase) zu den Treibhausgasen. Zu den fluorierten Treibhausgasen – kurz: F-Gase – gehören teilfluorierte (= wasserstoffhaltige) Kohlenwasserstoffe (HFKW), vollfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6). Seit 2015 wird Stickstofftrifluorid (NF3) zusätzlich einbezogen.i Als Vertragsstaat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) ist Deutschland seit 1994 dazu verpflichtet, über die Treibhausgas-Emissionen zu berichten. Über die genannten F-Gase muss Bericht erstattet werden. Darüber hinaus erstattet Deutschland über weitere F-Gase wie z. B. Sulfuryldifluorid freiwillig Bericht.ii
Bei den F-Gasen handelt es sich um nicht natürlich vorkommende Gase. Sie kommen in verschiedenen industriellen Anwendungen zum Einsatz und werden dafür eigens hergestellt. Da sie die Ozonschicht nicht schädigen, werden sie häufig als Ersatz für ozonabbauende Stoffe eingesetzt.iii
Die F-Gase machen zwar nur einen kleinen Anteil am gesamten Treibhausgas-Ausstoß Deutschlands aus, sind aber wegen ihres extrem hohen Treibhauspotenzials im Hinblick auf die Klimaerwärmung dennoch ein ernstzunehmender Faktor.
In Deutschland entfallen – bei Einbeziehung der Klimaschädlichkeit – 87,1 Prozent der Freisetzung von Treibhausgasen auf Kohlendioxid, 6,5 Prozent auf Methan, 4,6 Prozent auf Lachgas und rund 1,7 Prozent auf die F-Gase (im Jahr 2020). Die Emissionen von Stickstofftrifluorid sind verschwindend gering.
Fluorkohlenwasserstoffe
Fluorkohlenwasserstoffe sind chemische Substanzen, die aus Kohlenwasserstoffen durch eine teilweise oder vollständige Fluorierung entstehen. Bei der teilweisen Fluorierung wird Wasserstoff teilweise, bei der vollständigen Fluorierung vollständig durch Fluor ersetzt. Es ist also zwischen den teilfluorierten (HFKW) und vollfluorierten (=perfluorierten) Kohlenwasserstoffen (FKW) zu unterscheiden. Als Oberbegriff für teilfluorierte und vollfluorierte Kohlenwasserstoffe wird oft „Fluorkohlenwasserstoffe“ (oder: „fluorierte Kohlenwasserstoffe“), „FKW“ abgekürzt, verwendet.
Fluorkohlenwasserstoffe werden meist als Kältemittel verwendet, aber es gibt auch eine Vielzahl anderer Anwendungen. Dazu gehören die Verwendung bei der Herstellung von Aluminium, als Feuerlöschmittel und als Treibmittel in Materialien für die Wärmedämmung.
Die Verwendung von Fluorkohlenwasserstoffen als Kältemittel hat viele Vorteile: Fluorkohlenwasserstoffe sind kostengünstig in großen Mengen herstellbar, meist nicht oder nur schwach brennbar,auch vermischt mit Luft nicht explosionsgefährlich, nicht oder kaum giftig, schädigen die Ozonschicht nicht und vertragen sich mit den allermeisten Materialien, die für Kältemaschinen und Wärmepumpen verwendet werden. Das bedeutet, dass sie beispielsweise keine Korrosion von Metallen fördern und die Funktionsfähigkeit von Schmierölen von Verdichtern nicht gefährden.
Ein großer Nachteil der Fluorkohlenwasserstoffe ist jedoch, dass sie extrem klimaschädlich sind. Das Treibhauspotenzial der verschiedenen Fluorkohlenwasserstoffe ist zwar unterschiedlich hoch, kann jedoch einen GWP100 von über 10000 haben. Das bedeutet, dass manche Fluorkohlenwasserstoffe auf eine Zeitspanne von 100 Jahren gesehen ein 10000mal größeres Treibhauspotenzial als Kohlendioxid haben.iv
Schwefelhexafluorid
Betrachtet man nur die Klimawirksamkeit, dann ist Schwefelhexafluorid (SF6) unter den Treibhausgasen der Klimakiller Nr. 1. Laut dem 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats ist das Treibhauspotenzial von Schwefelhexafluorid 24300mal höher als dasjenige von Kohlendioxid. Die EU-Verordnung 517/2014 geht von einem 22800mal höheren Treibhauspotenzial aus. Da das Gas nicht natürlich aufgenommen oder abgebaut wird, kann es bis zu 3200 Jahre in der Atmosphäre aktiv bleiben. Es ist also besonders lange klimawirksam.
2020 trug nach Berechnungen des Umweltbundesamts Schwefelhexafluorid trotz seines sehr hohen Treibhauspotenzials und seiner besonders langen Klimawirksamkeit nur zu 0,4 % zum durch Spurengase verursachten Treibhausgas-Effekt bei. Es ist also im Hinblick auf die Klimaerwärmung von nachrangiger Bedeutung, wenn auch keinesfalls zu vernachlässigen.v
Schwefelhexafluorid hat lange Zeit in der Öffentlichkeit nur wenig Aufmerksamkeit gefunden. In Politik und Wirtschaft ist das Treibhausgas jedoch schon seit vielen Jahren ein Thema. Schon im Jahr 2000 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft eine Vereinbarung zur Klimavorsorge getroffen. In diesem Rahmen haben 2005 die Schwefelhexafluorid-Produzenten sowie die Hersteller und Betreiber von elektrischen Betriebsmitteln (> 1kV) eine freiwillige Selbstverpflichtung abgeschlossen, deren Ziel es war und ist, den Ausstoß von Schwefelhexafluorid zu minimieren.
Auch die Europäische Union (EU) blieb nicht untätig. So wurden 2006 die „Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen“ (sogenannte MAC-Richtlinie) und die Verordnung (EG) Nr. 842/2006 über bestimmte fluorierte Treibhausgase (sogenannte F-Gas Verordnung) verabschiedet. Diese zielt vor allem auf die Senkung von F-Gas-Emissionen durch regelmäßige Leckageprüfungen sowie die Zertifizierung von Personal und Betrieben, die professionellen Umgang mit Anlagen haben, ab.vi
Dass Schwefelhexafluorid plötzlich in der Presse und in den sozialen Medien in den Mittelpunkt rückte, hat mit der Energiewende zu tun. Im Rahmen der Energiewende soll nämlich verstärkt auf Windenergie gesetzt werden. Die Windenergie hat aber auch ihre Kritiker. Diese führten nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke an, dass die Windkraftanlagen Schwefelhexafluorid enthalten. Das ist richtig. Allerdings ist sein Gebrauch nicht auf Windkraftanlagen beschränkt.
Schwefelhexafluorid ist farb- und geruchlos, ungiftig und brennt nicht. Daher eignet es sich hervorragend als Isolier- und Löschgas. So wird es in Vorrichtungen zur Übertragung und Verteilung von Energie verwendet. Dazu gehören Schaltanlagen und -geräte, Messwandlern, gasisolierte Leitungen, Hochspannungsdurchführungen und Kondensatoren, und zwar ganz unabhängig von der Stromart. Von besonderer Relevanz ist es für den Bereich von mehr als 1000 Volt. Es ist vor allem dort praktisch, wo wenig Platz ist, wie im Turm einer Windkraftanlage.vii
Auch wird Schwefelhexafluorid beim Apparatebau, für Glasfaserkabel, für militärische Radarsysteme, in der Display- und Mikrotechnik und von der Halbleiterindustrie verwendet. Früher wurde das Gas auch für die Herstellung von Schallschutzfenstern verwendet, was jedoch seit 2006 verboten ist. Die Schallschutzfenster geben es jedoch weiterhin ab und sind damit nach wie vor der größte Schwefelhexafluorid-Emittent.
In Schaltanlagen verbleibt Schwefelhexafluorid in einem geschlossenen System. Allerdings kann das Gases beim Befüllen, Nutzen und Recyclen unbeabsichtigt entweichen. Die in Windkraftanlagen verbauten elektrischen Schaltungen, aus denen Schwefelhexafluorid entweicht, werden nicht von den Betreibern selbst hergestellt, sondern werden auf dem Weltmarkt eingekauft. Insbesondere im Mittelspannungsbereich sind Schwefelhexafluorid-freie Alternativen verfügbar. Die spezifischen Funktionalitäten und Kosten dieser Alternativprodukte können allerdings abweichen.viii
Stickstofftrifluorid
Stickstofftrifluorid (NF3) ist eine chemische Verbindung, die zur Gruppe der Stickstoffhalogenide, also zu den Verbindungen von Stickstoff und Halogenen, gehört. Bisher wurde nur wenig Stickstofftrifluorid freigesetzt, jedoch haben die Emissionen seit den 1990er Jahren stark zugenommen. Das hängt mit der verstärkten Verwendung des Gases bei der Produktion von Flachbildschirmen und von Solarzellen zusammen. Stickstofftrifluorid wird unter anderem zur Beseitigung von Siliziumrückständen benutzt. Der Ausstoß hat auch deshalb zugenommen, weil die Substanz als Ersatzstoff für verbotene Fluorkohlenstoff-Verbindungen verwendet wird.
Stickstofftrifluorid ist ein besonders klimaschädliches Treibhausgas, dessen Treibhauspotenzial über einen Zeitraum von 100 Jahren gesehen rund 17200mal größer als das von Kohlendioxid ist. Seine Lebensdauer in der Atmosphäre beträgt zwischen 550 und 740 Jahren.
Trotz seines sehr hohen Treibhauspotenzials war Stickstofftrifluorid nicht im Kyoto-Protokoll enthalten. Aufgrund zunehmender Nutzung des stark klimawirksamen Treibhausgases wurde auf der 17. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention im Dezember 2012 eine überarbeitete Fassung der Richtlinien für die Treibhausgasberichterstattung beschlossen. Danach sind ab 2015 auch Daten zum Ausstoß von Stickstofftrifluorid zu melden.ix
Sulfuryldifluorid
Sulfuryldifluorid (oder: Sulfurylfluorid; SO2F2, kurz: SF) ersetzt den ozonschichtschädigenden Stoff Methylbromid, für den im Montrealer Protokoll von 1997 ein schrittweiser weltweiter Ausstieg beschlossen wurde.
Sulfuryldifluorid ist ein Pestizid und Biozid und wird als Begasungsmittel weltweit beispielsweise für die Bekämpfung von Lebensmittel- und Holzschädlingen verwendet, etwa für Gebäude wie Kirchen oder für Lebensmittel wie Trockenobst, Nüsse und Getreide. Besonders relevant ist die Begasung von Laub- und Nadelholz für den Export, um zu verhindern, dass Schädlinge wie der Borkenkäfer in die Nachbarländer gelangen. Seit 2018 ist der Holzverkauf ins Ausland und damit auch der Einsatz von Sulfurylfluorid stark angestiegen. Grund dafür ist das Waldsterben in Deutschland, das durch Hitzeperioden und Dürren infolge der Klimaerwärmung ausgelöst wurde.
Entsprechend der gängigen Begasungspraxis werden die Container nach erfolgter Begasung durch Öffnen der Türen belüftet. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die gesamten verwendeten Begasungsmengen direkt in die Atmosphäre entweichen.x
Sulfurylfluorid ist hochgiftig und hat laut dem Sechsten Sachstandsbericht des IPCC ein Treibhauspotenzial, das über den Zeitraum von 100 Jahren 4630 Mal höher ist als das von Kohlendioxid. Auf 20 Jahre betrachtet ist es sogar 7510 Mal so klimawirksam wie Kohlendioxid.xi
Der Sulfurylfluorid-Ausstoß kann auf verschiedene Weise gesenkt werden: Das Gas könnte nach der Holzbehandlung maschinell abgeschieden werden. Die Technik ist (Stand Mai 2023) aber noch nicht marktreif. Es könnten auch weniger klimaschädliche Behandlungsverfahren verwendet werden, die aber aus verschiedenen Gründen noch nicht angewendet werden bzw. angewendet werden können.xii
i Vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen/die-treibhausgase (aufgerufen am 22.06.2023).
ii Vgl. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/berichterstattung-unter-der-klimarahmenkonvention-3 , Umweltbundesamt – UNFCCC Submission, Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2018, Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 – 2016, Dessau-Roßlau 2018, 65, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2018-05-24_climate-change_12-2018_nir_2018.pdf (jeweils aufgerufen am 04.08.2023).
iii Vgl. https://www.eea.europa.eu/de/help/haeufig-gestellte-fragen-faq/was-sind-f-gase-und (aufgerufen am 04.08.2023).
iv Vgl. https://www.energie-lexikon.info/fluorkohlenwasserstoffe.html; https://www.umweltbundesamt.de/fluorierte-treibhausgase-pfc (jeweils aufgerufen am 19.08.2023).
v Vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand, Schwefelhexafluorid: Anwendungen, Klimawirkung, Emissionsentwicklung und Maßnahmen zur Minderung, WD 8 – 3000 – 065/22, https://www.bundestag.de/resource/blob/921318/46e98f9ae6d8c43013dfd2b468358b72/WD-8-065-22-pdf-data.pdf; https://www.eaton.com/de/de-de/markets/utilities/tomorrowsgrid/air-insulated-switchgear-sf6-free-eaton.html (jeweils aufgerufen am 04.08.2023).
vi Vgl. http://www.duh.de/uploads/tx_duhdownloads/F-Gase_Hintergrundpapier.pdf (aufgerufen am 04.08.2023).
vii Vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand, Schwefelhexafluorid: Anwendungen, Klimawirkung, Emissionsentwicklung und Maßnahmen zur Minderung, WD 8 – 3000 – 065/22, https://www.bundestag.de/resource/blob/921318/46e98f9ae6d8c43013dfd2b468358b72/WD-8-065-22-pdf-data.pdf; https://www.enbw.com/unternehmen/eco-journal/sf6-in-windraedern.html?gclid=EAIaIQobChMIuMDM86TCgAMVY5WDBx2UNgM4EAAYASAAEgKRo_D_BwE (jeweils aufgerufen am 04.08.2023).
viii Vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand, Schwefelhexafluorid: Anwendungen, Klimawirkung, Emissionsentwicklung und Maßnahmen zur Minderung, WD 8 – 3000 – 065/22, https://www.bundestag.de/resource/blob/921318/46e98f9ae6d8c43013dfd2b468358b72/WD-8-065-22-pdf-data.pdf; https://www.enbw.com/unternehmen/eco-journal/sf6-in-windraedern.html?gclid=EAIaIQobChMIuMDM86TCgAMVY5WDBx2UNgM4EAAYASAAEgKRo_D_BwE (jeweils aufgerufen am 04.08.2023).
ix Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis), Erhebung bestimmter klimawirksamer Stoffe „Schwefelhexafluorid“ (SF6) und „Stickstofftrifluorid“ (NF3). Ausgewählte Ergebnisse für das Berichtsjahr 2019, 2020, 7, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Klimawirksame-Stoffe/Publikationen/Downloads-Klimawirksame-Stoffe/schwefelhexafluorid-5332401197004.pdf?__blob=publicationFile; https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/stickstofftrifluorid-treibhausgas-nf3-wird-staerker-kontrolliert-a-875367.html (jeweils aufgerufen am 19.08.2023).
x Vgl. Umweltinstitut München e. V., Newsletter vom 26.05.2023;
https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/fluorierte-treibhausgase-fckw/containerbegasung-sulfuryldifluorid (aufgerufen am 04.08.2023).
xi https://umweltinstitut.org/energie-und-klima/meldungen/eu-verlaengert-genehmigung-fuer-klimagift-sulfurylfluorid/ (aufgerufen am 04.08.2023).
xii Vgl. Umweltinstitut München e. V., Newsletter vom 26.05.2023. Ausführlich zu den verschiedenen möglichen Alternativen siehe Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 22/164, https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/70288/klimakiller_gas_sulfurylfluorid_vermeidung_und_ersatz.pdf (aufgerufen am 04.08.2023).