Wenn wir nach den Gründen für die gegenwärtige rapide Temperaturerhöhung suchen, dann müssen wir auch nach möglichen natürlichen Ursachen suchen. Zu diesen möglichen natürlichen Ursachen gehören auch Veränderungen hinsichtlich der Umlaufbahn der Erde um die Sonne und hinsichtlich der Neigung und des „Taumelns der Erdachse. Diese Veränderungen werden als „orbitale Klimaantriebe“ (Orbit = Erdumlaufbahn) bezeichnet.
Die Umlaufbahn der Erde um die Sonne ist nicht konstant kreisförmig, sondern sie wechselt zwischen fast kreisförmig und leicht elliptisch. Hinzu kommen Bewegungen der Erdachse. Zu diesen Bewegungen gehören zum einen die Veränderung der Neigung der Erdachse und zum anderen das Kreisen der Erdachse um ihre Senkrechte auf der Bahnebene. Diese Veränderungen haben eine erhebliche Wirkung auf das Klima, wie die Klimageschichte zeigt. Allerdings können sie kaum allein für die dramatischen Wechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten verantwortlich sein. Auch laufen die Veränderungen in Zyklen ab, die sich über zig Jahrtausende erstrecken. Insofern können sie für die gegenwärtige rapide Klimaerwärmung nicht hauptverantwortlich sein, zumal die Zyklen eigentlich eine allmähliche Abkühlung des Klimas erwarten lassen. Daher haben wir nach Verstärkern zu suchen, ebenso nach anderen möglichen Hauptverantwortlichen. Dabei ist an natürliche Klimaantriebe zu denken und an menschengemachte.
Die Umlaufbahn der Erde um die Sonne
Schon in der Antike ist entdeckt worden, dass sich nicht die Sonne um die Erde dreht, sondern die Erde um die Sonne. Dabei ist die Umlaufbahn der Erde nicht konstant kreisförmig, sondern sie wechselt zwischen fast kreisförmig und leicht elliptisch. Die Exzentrizität gibt an, gibt an, wie stark die ellipsenförmige Umlaufbahn von einer kreisförmigen Bahn abweicht. Der Rhythmus der Veränderung ist konstant und beträgt 405000 Jahre, wobei er sich mit einem weiteren, rund 100000 Jahre währenden dominierenden Zyklus (und noch zwei weiteren Zyklen) überlagert. Die subtilen Schwankungen werden vor allem von den Schwerkrafteinflüsse der Planeten Venus und Jupiter ausgelöst, in geringerem Maße auch die der anderen Planeten. Je nach ihrer Position zueinander üben sie eine mal mehr mal weniger starke Anziehung auf die Erde aus.i An dem Punkt, der der Sonne am nächsten ist (als „Perihel“ bezeichnet), ist die Einstrahlung um etwa 7 % erhöht.ii
Die Neigung der Erdachse
Nicht nur die Abweichung von der Kreisbahn verändert sich, sondern auch die Neigung der Erdachse. Um diese Achse dreht sich die Erde, womit es sich um eine Rotationsachse handelt. Die Erdachse ist nicht genau senkrecht ausgerichtet, sondern in einem bestimmten Neigungswinkel, der als „Ekliptikschiefe“ bezeichnet wird. Die Richtung der Erdachse ändert sich bei einem Umlauf der Erde um die Sonne nicht, was den Ablauf der Jahreszeiten erklärt.
Die „Ekliptikschiefe“ (bzw. die geographische Lage der sogenannten Wendekreise südlich und nördlich des Äquators) wird in den Schulatlanten mit 23,5° angegeben, schwankt jedoch genau genommen zwischen 22,1° und 24,5°. Je größer die Ekliptikschiefe desto größer die Temperaturunterschiede zwischen Sommer und Winter auf der Nord- und Südhalbkugel. Der Zyklus der Ekliptikschiefe beträgt etwa 41000 Jahre.iii
Das „Taumeln“ der Erdachse
Neben der schwankenden Exzentrizität und Ekliptikschiefe gibt es noch einen dritten Zyklus, nämlich den der Präzession. Dabei handelt es sich um das „Taumeln“ der Erdachse. Die Erdachse bewegt sich in ungefähr 25800 Jahren einmal um ihre Senkrechte auf der Bahnebene, und zwar gegen die Richtung der Erddrehung.
Die Präzession ist mit den Anziehungskräften von Sonne, Mond und Planeten auf die leicht abgeplattete Erde und ihre schräg stehende Achse zu erklären. Dadurch eiert die Erde wie ein Kreisel kurz vor dem Umfallen.iv
Milanković-Zyklen
Dass die Exzentrizität, Ekliptikschiefe und Präzession die Verteilung des einfallenden Sonnenlichts auf die Breitenzonen variieren lassen und so zu langfristigen Klimaänderungen führen, hat der serbische Bauingenieur, Mathematiker und Geowissenschaftler Milutin Milanković (1879 – 1958) erkannt. So führt die Gleichzeitigkeit von stark ellipsenförmiger Erdbahn, starker Achsenneigung und einer Sonnennähe im Nordsommer beispielsweise zu einer besonders starken sommerlichen Einstrahlung in den klimaempfindlichen hohen Breiten der Nordhalbkugel. Genau dort befinden sich die großen Landmassen Sibiriens und Kanadas, die sich bei starker Sonneneinstrahlung stärker erwärmen als Wassermassen.
Milanković hat für bestimmte Breitengrade eine Berechnung aller astronomischen Klimaantriebe durchgeführt. In den 1980er-Jahren hat eine Gruppe an der Université catholique de Louvain eine solche Berechnung dann für sämtliche Längen- und Breitengrade durchgeführt. Der Verlauf der Milanković-Zyklen zeigt, dass vor allem die letzten vier Warmzeiten (Zwischeneiszeiten; Interglaziale) durch markante nordsommerliche Einstrahlungsmaxima gekennzeichnet waren.v
Die Eiszeiten dürften mit Einstrahlungsminima auf der Nordhalbkugel zusammenhängen. Die geringste Einstrahlung bekommt die Nordhalbkugel dann, wenn zu einem gegebenen Zeitpunkt die Erdachse im Sommer zur Sonne zeigt, die Erde dabei aber von der Sonne weit entfernt ist (als „Aphel“ bezeichnet) und die Schiefe der Erdachse möglichst steil steht.vi
Aber die Summe der astronomischen Klimaantriebe reicht allein nicht aus, um die dramatischen Klimaänderungen (Warm- und Kaltzeiten) in der Erdgeschichte zu erklären. Daher ist davon auszugehen, dass weitere Auslöse- und Verstärkungsmechanismen eine Rolle spielen.
Die Milanković-Zyklen können die gegenwärtige schnelle Erderwärmung nicht erklären
Die genannten astronomischen Klimaantriebe haben einen großen Einfluss auf das Erdklima. Aus zwei Gründen können sie jedoch die gegenwärtige schnelle Erderwärmung nicht erklären. Der erste Grund ist, dass es sich um Zyklen handelt, die zig Jahrtausende währen. Der Zeitraum von knapp 200 Jahren, in denen sich die schnelle Klimaerwärmung vollzieht, ist im Vergleich dazu verschwindend gering, und zwar nicht nur aus astronomischer, sondern auch aus klimageschichtlicher Sicht. Der zweite Grund ist, dass von den astronomischen Klimaantrieben her die Erde auf eine allmähliche Abkühlung eingestellt ist, die aber – hier macht sich der 400000-Jahreszyklus bemerkbar – wesentlich schwächer ausfallen wird als die letzten vier Kaltphasen. Man erwartet daher eine länger andauernde Warmzeit ähnlich der vor rund 400000 Jahren.vii
Die genannten Klimaantriebe sind für die schnelle gegenwärtige Klimaerwärmung nicht hauptverantwortlich. Insofern müssen wir davon ausgehen, dass es weitere oder andere Klimaantriebe gibt, die die schnelle Klimaerwärmung der Gegenwart verursachen. Dabei ist an natürliche Klimaantriebe zu denken und an menschengemachte.
i Vgl. Christoph Buchal, Christian-Dietrich Schönwiese, Klima: Die Erde und ihre Atmosphäre im Wandel der Zeiten, Jülich, 2., aktual. Aufl. 2012, 107; Dennis V. Kent et al., Empirical evidence for stability of the 405-kiloyear Jupiter–Venus eccentricity cycle over hundreds of millions of years, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 115/24 (2018), 6153-6158 (unter https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.1800891115 aufrufbar); https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimasystem/antriebe/astronomische-zyklen (aufgerufen am 25.04.2023).
ii Vgl. https://www.mps.mpg.de/4740073/Sonne-und-Klima-FAQ-2016.pdf (aufgerufen am 21.04.2023); Mojib Latif, Klimawandel und Klimadynamik, Stuttgart 2009, 71-72.
iii Vgl. Stefan Uhlig, Der natürliche Klimawandel. Fakten aus geologischer, archäologischer und astrophysikalischer Sicht, Sargans, Schweiz 2021, 26-27; Mojib Latif, Klimawandel und Klimadynamik, Stuttgart 2009, 72.
iv Vgl. https://www.astronomie.de/einstieg-in-die-astronomie/unsere-erde/die-praezession/; https://www.deutschlandfunk.de/die-entdeckung-der-praezession-erde-eiert-himmel-wandert-100.html (aufgerufen jeweils am 25.04.2023); Mojib Latif, Klimawandel und Klimadynamik, Stuttgart 2009, 72.
v Vgl. https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimasystem/antriebe/astronomische-zyklen; ähnlich auch https://www.mps.mpg.de/4740073/Sonne-und-Klima-FAQ-2016.pdf (aufgerufen am 25.04.2023).
vi Frank Sirocko, Bernd Kromer, Heini Wernli, Ursachen von Klimavariabilität in der Vergangenheit, in: F. Sirocko [Hrsg.], Wetter, Klima, Menschheitsentwicklung. Von der Eiszeit bis ins 21. Jahrhundert, Darmstadt, 3., durchges. Aufl. 2012, 53-59 geben einen guten Überblick über die wesentlichen Ursachen der Klimaschwankungen in der Vergangenheit. Dabei befassen sie sich auch mit der orbitalen Konstellation zwischen Erde und Sonne und auf S. 54 mit den Einstrahlungsminima.
vii Vgl. https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimasystem/antriebe/astronomische-zyklen; ähnlich auch https://www.mps.mpg.de/4740073/Sonne-und-Klima-FAQ-2016.pdf (aufgerufen am 25.04.2023).