Erste Anlaufstelle von Schwangeren sind meist die Frauenärzte, wo sie erste Informationen erhalten. Von diesen werden sie dann an die Beratungsstellen verwiesen. Die Beratung ist Voraussetzung für die Strafbefreiung und soll das Verantwortungsbewusstsein der Frau stärken. Die Schwangere ist diejenige, die letztendlich entscheidet und die Verantwortung trägt. Der Vater des ungeborenen Kindes nimmt nicht immer am Beratungsgespräch teil. Und die beratende Person hat keine Entscheidungsbefugnis. Bei einer Legalisierung der Abtreibung wäre eine verpflichtende Beratung nicht mehr zu rechtfertigen. Beratung wäre dann freiwillig, was ihrem eigentlichen Wesen entspricht.

Rechtliche Grundlagen

In Deutschland ist die Schwangerschaftskonfliktberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch zwingend vorgeschrieben. Die gesetzlichen Grundlagen bilden § 219 StGB (= Strafgesetzbuch) und das Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten, kurz Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG). Letzteres enthält u. a. die Regelungen zur Schwangerschaftskonfliktberatung. Die Schwangerschaftskonfliktberatung erfolgt kostenlos.

Motive für das Aufsuchen der Beratung

Die Schwangerschaftskonfliktberatung wird von Schwangeren meist aufgesucht, nachdem sie im Gespräch mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt erstmalig die Gelegenheit hatten, sich mit medizinischen und juristischen Aspekten des Schwangerschaftsabbruchs vertraut zu machen. Die Motive für die Inanspruchnahme der Beratung sind vielfältig und reichen von dem Bedürfnis nach tiefer gehender Orientierung und Unterstützung bis zum

„Absitzen“ eines Pflichttermins.

Die Träger der Beratung

Die Schwangerschaftskonfliktberatung wird von verschiedenen Trägern mit verschiedenem Weltbild und Selbstverständnis angeboten. Die Schwangere (bzw. die Eltern des Kindes) kann denjenigen Anbieter wählen, bei dem sie sich am besten aufgehoben fühlt. Das ausreichende Angebot von Beratungsstellen ist Aufgabe der Länder.

Neben Beratungsangeboten öffentlicher Träger, beispielsweise der kommunalen Gesundheits- oder Jugendämter, stehen auch Angebote freier Träger zur Verfügung. Zu den freien Trägern zählen die Wohlfahrtsverbände – Arbeiterwohlfahrt (AWO), Caritas, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Diakonie, donum vitae, pro familia und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) – und die ihnen angegliederten Träger sowie religiös ausgerichtete oder autonome Vereine. Schwangerschaftskonfliktberatung wird darüber hinaus auch von einigen Ärzten angeboten.i Die Beratung steht auch in den kirchlichen Einrichtungen allen Menschen unabhängig von der Weltanschauung und Religion offen.ii

Zielsetzung der Beratung

Gemäß § 219 StGB hat sich die Schwangerschaftskonfliktberatung von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. In § 5 Abs. 1 SchKG (= Schwangerschaftskonfliktgesetz) heißt es darüber hinaus: Die nach § 219 des Strafgesetzbuches notwendige Beratung ist ergebnisoffen zu führen. Sie geht von der Verantwortung der Frau aus. Die Beratung soll ermutigen und Verständnis wecken, nicht belehren oder bevormunden. Die Schwangerschaftskonfliktberatung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens.

Die beiden Vorgaben, dass die Schwangerschaftskonfliktberatung sowohl dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen als auch ergebnisoffen geführt werden soll, stehen in Spannung zueinander, wenn sie auch nicht unbedingt einen Widerspruch darstellen. Die Beratung darf die Schwangere nicht zur Fortsetzung der Schwangerschaft drängen. Aber sie darf auch nicht einfach nur neutral die Informationen, die für die Fortsetzung der Schwangerschaft sprechen, und die Informationen zu den Modalitäten des Schwangerschaftsabbruchs nebeneinander stellen.

Pflichtberatung oder freiwillige Beratung?

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Beratung wie folgt: „Beratung ist ein fokussierter, interaktiver Vorgang, durch den man freiwillig Unterstützung, zusätzliche Informationen und Anleitung von einer geschulten Person erhält, in einem Umfeld, das den offenen Austausch von Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen fördert.“iii Die Freiwilligkeit ist demnach ein wesentlicher Grundzug der Beratung. Eine freiwillige Beratung wird allerdings nicht von allen Schwangeren in Anspruch genommen, Insofern erreichen Informationen, die den Schutz des ungeborenen Lebens bewirken sollen, manche Schwangeren nicht. Weil dies zu einem lückenhaften Schutz des ungeborenen Lebens führen würde, hat sich der Gesetzgeber für eine verpflichtende Beratung entschieden.

Die Schwangere muss an der Schwangerschaftskonfliktberatung teilnehmen, dem Mann Vater des Kindes ist die Teilnahme freigestellt. Wenn der Vater teilnimmt, bekommt er wie die Schwangere wichtige Informationen aus erster Hand. Außerdem besteht die Chance, auch sehr unterschiedliche Positionen, Wünsche und Befürchtungen anzusprechen, sodass sich verhärtete Fronten auflösen können. Manche Väter fürchten aber, dass eine Beraterin einseitig für die Schwangere Partei ergreifen könnte. Andere wollen die Sache lieber mit sich ausmachen oder sich nur im Verwandten- und/oder Bekanntenkreis Rat suchen. Und in manchen Fällen nimmt der Vater des Kindes nicht teil, weil er die Frau bereits verlassen hat.iv

Inhalte der Beratung

Laut § 2 Abs. 2 SchKG gehören zur Beratung

– Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung

– bestehende familienfördernde Leistungen und Hilfen für Kinder und Familien einschließlich der besonderen Rechte im Arbeitsleben

– Vorsorgeuntersuchungen bei Schwangerschaft und die Kosten der Entbindung

– soziale und wirtschaftliche Hilfen für Schwangere, insbesondere finanzielle Leistungen sowie Hilfen bei der Suche nach Wohnung, Arbeits- oder Ausbildungsplatz oder deren Erhalt,

– die Hilfsmöglichkeiten für behinderte Menschen und ihre Familien, die vor und nach der Geburt eines in seiner körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit geschädigten Kindes zur Verfügung stehen,

– die Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, die physischen und psychischen Folgen eines Abbruchs und die damit verbundenen Risiken,

– Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft,

– die rechtlichen und psychologischen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit einer Adoption.

Darüber hinaus ist die Schwangere bei der Geltendmachung von Ansprüchen sowie bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen.

Der Beratungsschein

Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt straffrei, wenn sich die Frau vor dem Abbruch hat von einer anerkannten Beratungsstelle beraten lassen. Zu diesem Zweck stellt die Beratungsstelle einen sogenannten Beratungsschein aus, den die Frau der Ärztin bzw. dem Arzt, die bzw. der den Abbruch vornimmt, vorlegen muss. Die Bescheinigung enthält den Namen der Schwangeren und das Datum der Beratung, jedoch keine Angaben über den Verlauf und Inhalt des Beratungsgesprächs.v

Seit 1999 dürfen kirchliche Einrichtungen nach einer Instruktion des damaligen Papstes Johannes Paul II.vi keine Beratungsscheine mehr ausstellen, die eine straffreie Abtreibung ermöglichen. In der Folge gründeten katholische Laien insbesondere aus dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken den privaten Verein „donum vitae“, der entsprechende Nachweise erteilt.vii Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) dagegen wollen nicht, dass die Unterschrift unter den Beratungsschein als Zustimmung zum Schwangerschaftsabbruch missverstanden wird. Diese beiden Wohlfahrtsverbände werden in erster Linie von Schwangeren (und Vätern) aufgesucht, die sich in besonderem Maße der katholischen Kirche verbunden fühlen und evtl. in Glaubensfragen Beratung suchen. Auch können Schwangere (und Väter) aufgrund einer Empfehlung kommen. Sollte ein Beratungsschein gewünscht werden, erfolgt eine Vermittlung an einen anderen Beratungsträger. Auch Schwangere (und Väter), die sich bereits für die Fortsetzung der Schwangerschaft entschieden haben und Beratung im Hinblick auf Schwangerschaft und die ersten Jahre nach der Geburt des Kindes wünschen, wenden sich an diese beiden Wohlfahrtsverbände.viii

Die Finanzierung der freien Träger der Beratung

Jede Frau hat gemäß § 2 SchKG das Recht, sich in Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung, Familienplanung und Schwangerschaft von einer hierfür vorgesehenen Beratungsstelle auf Wunsch anonym informieren und beraten zu lassen. Von dieser allgemeinen Beratung ist die in den §§ 5 und 6 SchKG verankerte Schwangerschaftskonfliktberatung zu unterscheiden. Die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle hat nach Abschluss der Beratung der Schwangeren eine mit Namen und Datum versehene Bescheinigung darüber auszustellen, dass eine Beratung nach den §§ 5 und 6 SchKG stattgefunden hat. Beratungsstellen, die keinen Schein ausstellen, führen also eine Beratung nach § 2 SchKG durch. Das ist im Hinblick auf die staatliche Förderung relevant.

Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen für die Beratung nach § 2 SchKG sicher. Dabei werden auch Beratungsstellen freier Träger gefördert. Die Ratsuchenden sollen zwischen Beratungsstellen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung auswählen können. Die Details der Finanzierung sind in § 4 SchKG geregelt. Am 15. Juli 2004 hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, dass auch Beratungsstellen, die die allgemeine Beratung nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) erbringen, ohne sich an der Schwangerschaftskonfliktberatung zu beteiligen und den Beratungsschein auszustellen, einen Anspruch auf öffentliche Förderung nach § 4 Abs. 2 SchKG haben.ix Zuvor waren den Beratungsstellen, die keinen Schein ausstellen, staatliche Fördergelder gestrichen oder gekürzt worden.

i Vgl. https://www.familienplanung.de/beratung/wer-beraet-mich/ (aufgerufen am 10.03.2022).

ii Vgl. https://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2010/artikel/auch-ohne-schein-gut-beraten (aufgerufen am 12.04.2023).

iii Weltgesundheitsorganisation (WHO), Handbuch für die klinische Praxis zum sicheren Schwangerschaftsabbruch, Genf 2014, 10.

iv Zur Frage, ob der Mann zusammen mit der Frau zur Beratung gehen soll, siehe https://www.familienplanung.de/schwangerschaftskonflikt/maenner-im-konflikt/auch-fuer-maenner-beratung-bei-einem-schwangerschaftskonflikt/#c6087 (aufgerufen am 03.03.2022).

v Vgl. https://www.familienplanung.de/service/lexikon/beratungsschein/ (aufgerufen am 12.04.2023).

vi Schreiben von Johannes Paul II. an die deutschen Bischöfe, 3. Juni 1999.

vii Vgl. https://www.katholisch.de/artikel/15718-zdk-steht-hinter-werbeverbot-fuer-abtreibung (aufgerufen am 10.03.2022).

viii Persönliche Gespräche mit Beraterinnen; vgl. https://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2010/artikel/auch-ohne-schein-gut-beraten (aufgerufen am 12.04.2023).

ix Vgl. BVerwG 3 C 14.04. Das Bundesverwaltungsgericht legte fest, dass der Fördersatz wie bei Konfliktberatungsstellen 80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten beträgt. Weil die öffentliche Förderung den Ländern obliegt (ein Anteil kann auch den Landkreisen und kreisfreien Gemeinden obliegen) und die Höhe auch von der Ausstattung der jeweiligen Beratungsstelle abhängt, ist sie von Beratungsstelle zu Beratungsstelle verschieden. Die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in gemeinnütziger oder kirchlicher Trägerschaft erhalten gemäß https://www.diakonie.de/fileadmin/user_upload/Diakonie/PDFs/Wissen_kompakt_PDF/2019_Wissen-kompakt_Schwangerschaftsberatung.pdf (Stand November 2019; aufgerufen am 12.04.2023) für jede vollzeitbeschäftigte Beratungskraft eine Förderung von 50 bis 90 % der Personalkosten in Anlehnung an Angestellte im öffentlichen Dienst. Die restlichen Kosten müssen als Eigenanteil vom Träger aufgebracht werden.